header_left

Freitag, 16. März 2007

Neues aus dem Panoptikum der Terrorbekämpfung

Was lesen meine müden Augen. Die EU macht sich nach der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung wieder mit einem Großangriff gegen den Datenschutz und den allgemeinen Persönlichkeitsschutz unbeliebt.

Dass es eine neue europaweite Datenbank mit Fingerabdrücken geben soll, finde ich dabei gar nicht so bedenklich, das gibt es ja bereits auf nationaler Ebene.

Bedenklich stimmen mich spontan aber zwei Punkte:
  1. Wenn ich den Artikel richtig verstehe, sollen die Mitgliedstaaten bestimmen, welche Fingerabdrücke in die Datei kommen und welche nicht. Logischerweise haben die Mitgliedstaaten die Fingerabdrücke dann auch nach ihren nationalen Vorschriften wieder zu löschen. Selbst wenn dem so wäre: Was einmal in der Datenbank ist, wird europaweit verteilt. Und wer sagt, dass die anderen Mitgliedstaaten einen Datensatz, den sie aus der europaweiten Datenbank gezogen haben, auch löschen, nur weil der Ursprungsstaat zur Löschung der Daten verpflichtet ist? Dieses Problem stellt sich bereits jetzt - ganz heimlich, still und leise - im Rahmen des Informationssystems von Europol. Dort werden in noch viel größerem Umfang Informationen zu Tätern, Verdächtigen, ja sogar Zeugen zwischen den Mitgliedstaaten hin und her geschoben. Nationale zwingende Löschungspflichten werden faktisch umgangen. Was hier nötig ist und was für das neue Projekt der Fingerabdruckdatenbank nötig sein wird, ist eine Harmonisierung der Datenschutzvorschriften auf EU-Ebene.
  2. Mein zweiter Kritikpunkt wiegt vielleicht sogar noch schwerer: Wer stellt sicher, dass einzelne Mitgliedstaaten, z.B. Großbritannien, nicht Daten aus dieser europaweiten Datenbank mit anderen, nichteuropäischen Ländern, wie z.B. die USA austauschen? Wer garantiert, dass diese enormen Datensammlungen, die Zugriff durch hunderte von Dienststellen ermöglichen müssen und daher sehr viel Angriffsfläche bieten, wirklich sicher sind? Sind wirklich bereits alle europäischen Mitgliedstaaten in der Lage und Willens, eine solche datenschutzrechtliche Verantwortung zu übernehmen?
Der Artikel erwähnt, dass die neue Datenbank lediglich ein Konzept sei. Ich hoffe, dabei bleibt es, soweit nicht alle Bedenken ausgeräumt sind.

Starke Gesten und stille Verhandlungen - eine Bilanz des Europäischen Rates

Am 8. und 9. März trafen sich die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten in Brüssel um über die Zukunft Europas zu beraten. Hier nun meine schon lange angekündigte Zusammenfassung:

Erwartungsgemäß standen weniger die "Europäische Verfassung" und der Lissabon-Prozess für Wachstum und Beschäftigung im Mittelpunkt des Gipfeltreffens, sondern der weltweite Klimawandel und die möglichen Maßnahmen dagegen.

Hier haben die Mitgliedsstaaten einen, vor allem in den Medien vielbeachteten Kompromiss gefunden; Umweltschutzgruppen kritisieren aber, dass auch dieser Kompromiss nicht weit genug gehe. Lob gibt es hingegen dafür, dass die Mitgliedsstaaten nach Monaten des Stillstands und der "europäischen Krise" wieder mit einer Stimme sprechen. Grundsätzlich erfordert das System des Europäischen Rates eine gemeinsame Formulierung der Schlussfolgerungen des Gipfels [pdf], da Abstimmungen hier nicht vorgesehen sind. Um so erwähnenswerter erscheint es, wenn diese gemeinsame Formulierung dann so weitreichende Ergebnisse hervorbringt:
[...] billigt der Europäische Rat das Ziel der EU, die Treibhausgasemissionen bis 2020 gegenüber 1990 um 30 % zu reduzieren [...]
Dass dieses Ergebnis auch dem Verhandlungsgeschick der Ratspräsidentin, also Frau Merkel, anzurechnen ist, darf man wohl unterstellen.

Selten wird jedoch erwähnt, dass die genauen Details der CO2-Reduzierung mit dem Abschluss des Europäischen Rates bei weitem noch nicht beschlossen sind. Hier wird es noch Beratungsbedarf geben. Somit erscheint der gefundene Kompromiss als deutliches Zeichen in Richtung Bali, wo im Dezember 2007 erneut über die Zukunft des Kyoto-Protokolls beraten werden soll. Hier wird die Europäische Union mit einer Vorreiterrolle und in starker Position auftreten können.

Zwar bei weitem nicht so prominent, aber dennoch sehr umfangreich behandelt, war die Lissabon-Strategie ein Thema auf dem EU-Gipfel. Hierzu stelle ich lediglich stichwortartig folgende interessante Punkte heraus:
  • Der Binnenmarkt soll durch die vermehrte Verwendung des Mechanismus der gegenseitigen Anerkennung (z.B. CE-Zeichen) frische Impulse bekommen. Das bedeutet ganz konkret, dass auf eine Vielzahl an Harmonisierungsvorschriften verzichtet werden kann.
  • Der Rechtsetzungsprozess zur Reduzierung der Roaming-Tarife soll bis Ende des ersten Halbjahrs 2007 abgeschlossen sein.
  • Der Schutz der Rechte des geistigen Eigentums und die Bekämpfung
    von Nachahmung und Produktpiraterie müssen weltweit verstärkt werden.
Ein weiteres Thema: der Abbau und die Vereinfachung der europäischen Verwaltung. Hier konnte sich Verheugen zumindest teilweise mit seinen Vorschlägen durchsetzen, auch wenn - wenn ich mich recht erinnere - früher einmal mehr gefordert wurde:
Der Europäische Rat kommt daher überein, dass der durch EU-Rechtsvorschriften verursachte Verwaltungsaufwand bis zum Jahr 2012 um 25 % verringert werden sollte.
Gar kein Thema war der Verfassungsvertrag, obwohl dieser im Vorfeld heiß diskutiert wurde. Hier wird wohl noch immer hinter verschlossenen Türen in bilateralen Gesprächen von der deutschen Ratspräsidentschaft versucht, eine gemeinsame europaweite und tragfähige Position für die feierliche Veröffentlichung am 25. März zu finden. Sicherlich hat Frau Merkel auch hier den richtigen Weg gewählt um die festgefahrenen Positionen zu lockern. Eine größere öffentliche Diskussion über mögliche Entwürfe wäre aber nicht nur für die Akzeptanz in der Bevölkerung wünschenswert, hieraus könnte eventuell sogar der eine oder andere Gedankenanstoß für die Neufassung kommen.

Weitere Artikel zum Thema:

aussenpolitik
befindlichkeiten
bürokratie
energie
europäischer rat
euros
informationsgesellschaft
links
menschenrechte
osteuropa
pressespiegel
sozialpolitik
verbraucher
verfassungsvertrag
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren