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Die Verfassung ist tot, es lebe die Verfassung!

(Nein, trotz dieser Überschrift kein Grundgesetzdefätismus. Vielmehr ein Plädoyer für eine europäische Verfassung.)

Bereits zu Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft hat sich eines angedeutet. Sollten die Mitgliedstaaten am 25. März tatsächlich einen neuen Vertrag über eine "Verfassung für Europa" unterschreiben, dann wird eines ganz sicher nicht mehr darüber stehen. Das Wort "Verfassung".

Das erschreckende daran: Vermutlich wird dieser Schritt zu mehr Akzeptanz des Vertrages im Volk führen, als es jede inhaltliche Änderung schaffen könnte. Denn hier kommt Psychologie ins Spiel.

Der Begriff "Verfassung" steht vor allem für Franzosen und Einwohner der Insel für "zu viel" Europa. Eine Verfassung wird als etwas starres aufgefasst - und mag sie in Wirklichkeit ein völkerrechtlicher Vertrag und genauso flexibel oder starr sein wie die bestehenden Verträge.

In Frankreich wurde 2004 deshalb auch oft der Kritikpunkt geäußert, der Vertrag sei "wie in Stein gemeißelt"; und so etwas wolle man nicht.

Hier tritt die Skepsis gegenüber der aktuellen Europäischen Union deutlich hervor. Mehr Macht abgeben an diesen nicht verstandenen und leider mittlerweile auch immer seltener gemochten Bürokratiekoloss: das will man nicht. Und deswegen steht der Nationalstaat, dieses in meinen Augen eigentlich überholte und veraltete Staatenmodel, in den Köpfen der Unionsbevölkerung besser da denn je. Der ist wenigstens überschaubar.

Dieser Angst in der Bevölkerung, für Immer zu viele Kompetenzen an die EU abzugeben, muss natürlich adäquat begegnet werden. In meinen Augen gibt es hierfür aber nur einen geeigneten Ansatz: Reformen, Demokratisierung und Transparenz. (Nicht unbedingt in dieser Reihenfolge!) Doch hierfür braucht man die Bereitschaft in den Mitgliedstaaten, eine wirklich tiefgehende und effiziente (politische) Union aufzubauen.

Genau diese Bereitschaft zeigte sich in dem nicht in Kraft getretenen "Verfassungsvertrag". Aus der puren Notwendigkeit geboren, befanden sich die Unionsmitglieder mit diesem sicherlich auf dem richtigen Weg. Die breite Ablehnung in der Bevölkerung macht inhaltliche Änderungen notwendig. Mehr Soziales, noch mehr Demokratie, weniger Europa. Die nun wohl amtliche Umbenennung des Vertrages von "Verfassung" in irgendetwas anderes ist aber reine Augenwischerei und soll lediglich darüber hinwegtäuschen, welche Rolle die EU/EG derzeit wirklich für unser Leben spielt. Eine "Verfassung" kommt der wichtigen Rolle des europäischen Systems näher, aber sie wird erst akzeptiert werden, wenn Europa auch in den Köpfen seiner Bewohner angekommen ist.

Aber ich bin dennoch optimistisch: Europa ist nicht von jetzt auf morgen entstanden. Viele kleine Schritte haben zu dem geführt, was es trotz aller Kritik heute ist: eine erfolgreiche Wirtschafts- und Währungsunion, die ihresgleichen auf der Welt sucht. Den Schritt zur richtigen politischen Union wird die EU auch noch schaffen. Und sei es nur über eine Verfassung, die nicht mehr so heißen darf.

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