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verfassungsvertrag

Donnerstag, 8. März 2007

Die Verfassung ist tot, es lebe die Verfassung!

(Nein, trotz dieser Überschrift kein Grundgesetzdefätismus. Vielmehr ein Plädoyer für eine europäische Verfassung.)

Bereits zu Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft hat sich eines angedeutet. Sollten die Mitgliedstaaten am 25. März tatsächlich einen neuen Vertrag über eine "Verfassung für Europa" unterschreiben, dann wird eines ganz sicher nicht mehr darüber stehen. Das Wort "Verfassung".

Das erschreckende daran: Vermutlich wird dieser Schritt zu mehr Akzeptanz des Vertrages im Volk führen, als es jede inhaltliche Änderung schaffen könnte. Denn hier kommt Psychologie ins Spiel.

Der Begriff "Verfassung" steht vor allem für Franzosen und Einwohner der Insel für "zu viel" Europa. Eine Verfassung wird als etwas starres aufgefasst - und mag sie in Wirklichkeit ein völkerrechtlicher Vertrag und genauso flexibel oder starr sein wie die bestehenden Verträge.

In Frankreich wurde 2004 deshalb auch oft der Kritikpunkt geäußert, der Vertrag sei "wie in Stein gemeißelt"; und so etwas wolle man nicht.

Hier tritt die Skepsis gegenüber der aktuellen Europäischen Union deutlich hervor. Mehr Macht abgeben an diesen nicht verstandenen und leider mittlerweile auch immer seltener gemochten Bürokratiekoloss: das will man nicht. Und deswegen steht der Nationalstaat, dieses in meinen Augen eigentlich überholte und veraltete Staatenmodel, in den Köpfen der Unionsbevölkerung besser da denn je. Der ist wenigstens überschaubar.

Dieser Angst in der Bevölkerung, für Immer zu viele Kompetenzen an die EU abzugeben, muss natürlich adäquat begegnet werden. In meinen Augen gibt es hierfür aber nur einen geeigneten Ansatz: Reformen, Demokratisierung und Transparenz. (Nicht unbedingt in dieser Reihenfolge!) Doch hierfür braucht man die Bereitschaft in den Mitgliedstaaten, eine wirklich tiefgehende und effiziente (politische) Union aufzubauen.

Genau diese Bereitschaft zeigte sich in dem nicht in Kraft getretenen "Verfassungsvertrag". Aus der puren Notwendigkeit geboren, befanden sich die Unionsmitglieder mit diesem sicherlich auf dem richtigen Weg. Die breite Ablehnung in der Bevölkerung macht inhaltliche Änderungen notwendig. Mehr Soziales, noch mehr Demokratie, weniger Europa. Die nun wohl amtliche Umbenennung des Vertrages von "Verfassung" in irgendetwas anderes ist aber reine Augenwischerei und soll lediglich darüber hinwegtäuschen, welche Rolle die EU/EG derzeit wirklich für unser Leben spielt. Eine "Verfassung" kommt der wichtigen Rolle des europäischen Systems näher, aber sie wird erst akzeptiert werden, wenn Europa auch in den Köpfen seiner Bewohner angekommen ist.

Aber ich bin dennoch optimistisch: Europa ist nicht von jetzt auf morgen entstanden. Viele kleine Schritte haben zu dem geführt, was es trotz aller Kritik heute ist: eine erfolgreiche Wirtschafts- und Währungsunion, die ihresgleichen auf der Welt sucht. Den Schritt zur richtigen politischen Union wird die EU auch noch schaffen. Und sei es nur über eine Verfassung, die nicht mehr so heißen darf.

Mittwoch, 28. Februar 2007

Das will Sarko

Der französische Präsidentschaftskandidat Nicolas Sarkozy hat sich jetzt auch zu seinen europapolitischen Ansichten in einer Pressekonferenz geäußert. Fassen wir kurz zusammen:
  • Er will einen vereinfachten neuen Verfassungstext und
  • er will Zusammenarbeit der europäischen Staaten in Verteidigungsdingen.
Aha. Diesem traité simplifié oder mini-traité hatte Merkel ja bereits ihre Absage erteilt.
Le monde macht zudem die Beweggründe des Präsidentschaftskandidaten etwas deutlicher:
Il n'aura pas pour but de refondre l'Europe politique, il aura pour but que les institutions européennes se remettent à fonctionner
Es soll also lediglich darum gehen, dass die europäischen Institutionen wieder vernünftig arbeiten können. Ein Europafanatiker scheint Sarkozy nicht zu sein...

Freitag, 16. Februar 2007

Keine Chance

Wichtig zur Beurteilung der Chancen einer gemeinsamen "Verfassung" für Europa ist dieser kleine Artikel im Spiegel vom 01.02.2007:

Großbritannien: Brown will EU-Verfassung notfalls durch Veto blockieren

Samstag, 27. Januar 2007

Zur Kritik Herzogs

Währenddessen wird der kritische Vorstoß von Roman Herzog in der Welt kontrovers debattiert.

Der ehemalige Präsident des Europaparlaments Klaus Hänsch teilt die Kritik zwar zum Teil, stellt ihr aber in einer langen Replik die Tatsache entgegen, dass die EU eben kein Nationalstaat sondern ein Staatenverbund ist und daher auch nicht die bekannten nationalstaatlichen Demokratierezepte anwendbar sind.

Zum Artikel: Klaus Hänsch tritt Roman Herzog und Lüder Gerken entgegen

Zudem haben sich die Grünen-Abgeordneten Gerhard Schick und Rainder Steenblock mit der Studie Herzogs beschäftigt.

Sie kritisieren die zunehmende Entmündigung des Parlaments durch die 1:1-Umsetzung europäischer Richtlinien, das fehlende europäische Bewusstsein deutscher Fachpolitiker, das Verhalten der Medien in Europadingen und die falsche Öffentlichkeitsarbeit der EU. Der europäische Verfassungsvertrag ist jedoch in den Augen der beiden Abgeordneten ein notwendiger Schritt zu mehr Demokratie, Transparenz und Effizienz im Integrationsprozess.

Zum Artikel: "Der Koalitionsvertrag schreibt die Entmündigung des Bundestags fest"

Zwickmühle Verfassungsvertrag

Warum die deutsche Ratspräsidentschaft in Bezug auf den Verfassungsvertrag für die EU vor einer schier unlösbaren Aufgabe steht, erläutert die ZEIT gestern in einem Artikel zum Madrider Treffen von 18 EU-Staaten.

Demnach gibt es drei Ländergruppen, die theoretisch alle unter einen Hut gebracht werden müssen:
  1. Die 18 "Verfassungsfreunde", also die Länder, die den Vertrag bereits ratifiziert haben und die nun in Madrid ein gemeinsames Zeichen setzen wollten,
  2. die Kritiker der EU-Verfassung wie England und Polen und natürlich
  3. Frankreich und die Niederlande, welche sich durch die abgelehnten Referenden in einer besonders schwierigen Lage befinden.
Zur Lage in Frankreich - zusätzlich erschwert noch durch die anstehende Präsidentenwahl - ist auch dieser aktuelle Artikel ebenfalls aus der ZEIT lesenswert: Das Nein-Gespenst. Dort meint der französische Journalist Jean Quatremer, in Brüssel kein Unbekannter und auch sonst in Sachen Europa sehr aktiv, zur Lage in Frankreich:
Im Ganzen genommen, sind sich die Kandidaten der Republik [...] darin einig, dass man die EU-Verfassung, so wie sie vorliegt, nicht annehmen kann. [...] stimmen alle darin überein, dass der aktuelle Text – der nicht mehr "Verfassung" heißen wird, weil der Begriff in Frankreich symbolisch zu beladen ist, sondern "Grundlagenvertrag" – um den dritten (sich auf die gemeinschaftliche Politik beziehenden) Teil gekürzt werden muss, der im wesentlichen nur aus bekannten Texten besteht [...]

Montag, 22. Januar 2007

Kritische Analyse der EU

Notiz an mich selbst: Bei Gelegenheit mal neben der Kritik Herzogs auch dieses Gutachten [pdf] des Vereins Mehr Demokratie e.V. lesen. Ist zwar von 2005, aber es hat sich ja nichts geändert bisher.

Montag, 15. Januar 2007

Roman Herzog äußert sich kritisch

In einem heute veröffentlichtem Gastkommentar in der Welt äußert sich der ehemalige Präsident des BVerfG, Ex-Bundespräsident und Jurist Roman Herzog in seiner Funktion als Curator des CEP kritisch gegenüber einer Wiederbelebung des Verfassungsvertrags in seiner jetzigen Form.
Als Hauptprobleme der EU nennen [die Verfasser] "den Mangel an Demokratie und Gewaltenteilung sowie die sachwidrige Zentralisierung". Über den weitaus größten Teil der in Deutschland geltenden Gesetze beschließe, über den Ministerrat der EU, die Bundesregierung und nicht der Bundestag.
(Quelle: Pressemitteilung des CEP)

Herzog und sein Mitautor Lüder Gerken, Direktor des CEP, kommen daher zu dem Schluss:
"Es stellt sich die Frage, ob man die Bundesrepublik Deutschland überhaupt noch uneingeschränkt als eine parlamentarische Demokratie bezeichnen kann"
Diese Probleme, so Herzog und Gerken, könnten auch durch die EU-Verfassung nicht gelöst werden. Im Gegenteil, würden die Probleme der EU doch hierdurch noch zementiert.

Die Autoren lehnen daher den Verfassungsentwurf in seiner jetzigen Form ab, machen aber auch konkrete Vorschläge für institutionelle Reformen.

PDF-Version des Beitrags beim CEP: Ein Beitrag zur EU-Verfassung
Bei der Welt: Der Gastkommentar im Wortlaut
Welt-Artikel: Roman Herzog: Europäische Union gefährdet die parlamentarische Demokratie in Deutschland

Podiumsdiskussion: Von Miniverträgen und Maxierfolgen

In München haben sich gestern der Ratsvorsitzende und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, seine griechische Kollegin Dora Bakoyanni und der ehemalige EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti zu einer Podiumsdiskussion getroffen. Die Süddeutsche dokumentiert die Veranstaltung im Münchner Residenztheater und hebt besonders die kritische Aussage Steinmeiers in Bezug auf Russland hervor:
"Russland ist keine lupenreine Demokratie"
Weitere Zitate aus der Diskussion finden sich in einem eigenen Artikel:

So sagt z.B. Steinmeier zum Verfassungsentwurf:
"Wir haben die verdammte Pflicht, in den kommenden Monaten eine Lösung für die Verfassung zu erarbeiten. [...] Ende Juni werden wir einen Vorschlag zur Verfassung erarbeitet haben, den wohl alle Mitgliedstaaten annehmen können."
Auch zeigt er sich - wie schon Kanzlerin Merkel - gegenüber dem Vorschlag eines Mini-Vertrages sehr zurückhaltend; Bakoyanni und Monti (siehe Zitat) plädierten dafür:
[...] "ein Mini-Vertrag könnte ein Maxi-Erfolg sein."
Zu den Artikeln:
Druschba! Minister Steinmeier auf Distanz zu Ex-Kanzler Schröder bzw.
Debatte mit Steinmeier, Bakojannis und Monti: Die besten Zitate


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