Am 8. und 9. März
trafen sich die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten in Brüssel um über die Zukunft Europas zu beraten. Hier nun meine schon lange angekündigte Zusammenfassung:
Erwartungsgemäß standen weniger die "Europäische Verfassung" und der Lissabon-Prozess für Wachstum und Beschäftigung im Mittelpunkt des Gipfeltreffens, sondern der
weltweite Klimawandel und die möglichen Maßnahmen dagegen.
Hier haben die Mitgliedsstaaten einen,
vor allem in den Medien vielbeachteten Kompromiss gefunden; Umweltschutzgruppen kritisieren aber, dass auch dieser Kompromiss nicht weit genug gehe. Lob gibt es hingegen dafür, dass die Mitgliedsstaaten nach Monaten des Stillstands und der "europäischen Krise" wieder mit einer Stimme sprechen. Grundsätzlich erfordert das System des Europäischen Rates eine
gemeinsame Formulierung der Schlussfolgerungen des Gipfels [pdf], da Abstimmungen hier nicht vorgesehen sind. Um so erwähnenswerter erscheint es, wenn diese gemeinsame Formulierung dann so weitreichende Ergebnisse hervorbringt:
[...] billigt der Europäische Rat das Ziel der EU, die Treibhausgasemissionen bis 2020 gegenüber 1990 um 30 % zu reduzieren [...]
Dass dieses Ergebnis auch dem Verhandlungsgeschick der Ratspräsidentin, also
Frau Merkel, anzurechnen ist, darf man wohl unterstellen.
Selten wird jedoch erwähnt, dass die genauen Details der CO2-Reduzierung mit dem Abschluss des Europäischen Rates bei weitem noch nicht beschlossen sind. Hier wird es noch Beratungsbedarf geben. Somit erscheint der gefundene Kompromiss als deutliches Zeichen in Richtung Bali, wo im Dezember 2007 erneut über die Zukunft des Kyoto-Protokolls beraten werden soll. Hier wird die Europäische Union mit einer Vorreiterrolle und in starker Position auftreten können.
Zwar bei weitem nicht so prominent, aber dennoch sehr umfangreich behandelt, war die
Lissabon-Strategie ein Thema auf dem EU-Gipfel. Hierzu stelle ich lediglich stichwortartig folgende interessante Punkte heraus:
- Der Binnenmarkt soll durch die vermehrte Verwendung des Mechanismus der gegenseitigen Anerkennung (z.B. CE-Zeichen) frische Impulse bekommen. Das bedeutet ganz konkret, dass auf eine Vielzahl an Harmonisierungsvorschriften verzichtet werden kann.
- Der Rechtsetzungsprozess zur Reduzierung der Roaming-Tarife soll bis Ende des ersten Halbjahrs 2007 abgeschlossen sein.
- Der Schutz der Rechte des geistigen Eigentums und die Bekämpfung
von Nachahmung und Produktpiraterie müssen weltweit verstärkt werden.
Ein weiteres Thema: der Abbau und die Vereinfachung der
europäischen Verwaltung. Hier konnte sich
Verheugen zumindest teilweise
mit seinen Vorschlägen durchsetzen, auch wenn - wenn ich mich recht erinnere - früher einmal mehr gefordert wurde:
Der Europäische Rat kommt daher überein, dass der durch EU-Rechtsvorschriften verursachte Verwaltungsaufwand bis zum Jahr 2012 um 25 % verringert werden sollte.
Gar kein Thema war der
Verfassungsvertrag, obwohl dieser
im Vorfeld heiß diskutiert wurde. Hier wird wohl noch immer hinter verschlossenen Türen in bilateralen Gesprächen von der deutschen Ratspräsidentschaft versucht, eine gemeinsame europaweite und tragfähige Position für die feierliche Veröffentlichung am 25. März zu finden. Sicherlich hat
Frau Merkel auch hier den richtigen Weg gewählt um die festgefahrenen Positionen zu lockern. Eine größere öffentliche Diskussion über mögliche Entwürfe wäre aber nicht nur für die Akzeptanz in der Bevölkerung wünschenswert, hieraus könnte eventuell sogar der eine oder andere Gedankenanstoß für die Neufassung kommen.
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16. März, 12:47